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Ellen Fricke: Relative Motiviertheit in Flexion und Wortbildung

 

Hauptseminar, WS 2010/2011, Mittwoch 16 bis 18 Uhr, Raum KG III / HS 3305



Sprachliche Zeichen sind mehr oder weniger beliebig. Es gibt im Wortschatz des Deutschen jedoch auch indexikalische und ikonische Zeichen, die nicht arbiträr, sondern motiviert sind, sei es durch kausale oder raumzeitliche Beziehungen (Indexikalität) oder Eigenschaften, die Bezeichnetes und Bezeichnendes gemeinsam haben (Ikonizität). Die Saussuresche Arbitraritätsthese ist fixiert auf die direkte vertikale Relation zwischen einem Bezeichneten und einem Bezeichnenden. Mit anderen Worten: Das einzelne Zeichen wird isoliert betrachtet, horizontale Relationen, die zwischen Zeichen in linearen Verkettungen bestehen, werden gekappt. Jedoch lässt sich auch auf der Basis des Saussureschen Zeichenkonzepts annehmen, dass indirekte horizontale Motivationen bestehen. Saussure spricht von relativer Motiviertheit. Damit ist gemeint, dass Relationen zwischen Formen Relationen zwischen Inhalten abbilden. So entspricht z.B. im Vergleich zum entsprechenden Singular bei der Pluralbildung einem Mehr an Lautmasse auf der Formseite einem Mehr an Entitäten auf der Inhaltsseite. Ein solcher Zusammenhang wird auch konstruktioneller oder diagrammatischer Ikonismus (Peirce) genannt. Derartige Ikonismen gibt es auf allen Ebenen der grammatischen Beschreibung. Gegenstand unseres Seminars sind Ikonismen in Wortbildung und Flexion. Im Zentrum steht die Frage, inwieweit die morphologische Kodierung des Deutschen ikonische Eigenschaften aufweist. Morphologische Konstruktionsprinzipien, nach denen weitgehend arbiträre Morpheme zu komplexen Wörtern zusammengesetzt werden, sind meist ikonisch motiviert. In der Flexionsmorphologie wird Markiertheit allgemein durch „schwerere“ Formen ausgedrückt (Eisenberg). Ausgehend vom Beschreibungsapparat in Eisenbergs „Grundriß der deutschen Grammatik“ besteht das Ziel des Seminars darin, gemeinsam Ikonismen in der Morphologie des Deutschen zu identifizieren, zu beschreiben und im Zusammenhang mit zwei der wichtigsten Grundannahmen des sprachwissenschaftlichen Strukturalismus zu diskutieren: der Arbitraritätsthese und dem Prinzip der doppelten Artikulation.

Literatur:
Eisenberg, Peter (1998): Grundriß der deutschen Grammatik. Bd. 1: Das Wort. Stuttgart, Weimar: Metzler.
Posner, Roland (1980): Ikonismus in den natürlichen Sprachen. Zeitschrift für Semiotik, 2, 1/2, 1–6.

Bemerkung:
Hauptseminar aus dem Bereich Sprachstruktur.

Leistungsnachweis:
Es wird eine regelmäßige und aktive Teilnahme am Seminar erwartet. Darüber hinaus ist für den Erwerb eines Leistungsnachweises die Übernahme eines Referats sowie die Anfertigung einer Hausarbeit erforderlich.

Zum internen Bereich des Seminars. Zugang nur mit Kennwort.

Zur entsprechenden Seite an der Universität Freiburg: Germanistische Linguistik, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg